Die MBE und das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan
Als Anja Hauser* von dem Aufruf an die MBE hörte, sich als sogenannte meldeberechtigte Stelle am Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan zu beteiligen, war für sie klar, dass sie helfen wollte. „Afghanistan wird von der Öffentlichkeit oft vergessen“, bedauert sie. Im Sommer 2022 richtete sich die Aufmerksamkeit zumindest kurzzeitig wieder auf das von Jahrzehnten des Krieges und der Instabilität gebeutelte Land und seine Bewohner*innen.
Neben dem Verfahren zur Aufnahme für ehemalige sogenannte Ortskräfte hat die Bundesregierung mit dem Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan einen Weg geschaffen, Menschen, die auf Grund ihres Einsatzes für Menschen- und insbesondere Frauenrechte oder wegen ihrer Tätigkeit in Justiz, Medien, Sport und anderen Bereichen besonders gefährdet sind, die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen.
Die Personen können über eine sogenannte meldeberechtigte Stelle einen Antrag beim Bundesinnenministerium stellen. Hier kommt die MBE ins Spiel, in der Anja Hauser seit vielen Jahren als Beraterin tätig ist. Wird sie im Rahmen ihrer Beratungsarbeit zu aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten, bei der Unterstützung der Suche nach einem Arbeitsplatz oder bei der Vermittlung von Deutschkursangeboten auf Menschen aus Afghanistan aufmerksam, deren Angehörige für das BAP in Frage kommen, so kann - außerhalb der MBE-Beratungszeit - gemeinsam mit ihnen einen Antrag auf Aufnahme in Deutschland gestellt werden. Da die MBE-Beratungszeit nicht für diese Aufgabe verwendet werden kann und demzufolge jede*r Berater*in zusätzlich zur regulären Beratungsarbeit nur begrenzt Zeit zur Verfügung hat, werden die Kontaktadressen der MBE als meldeberechtigte Stellen nicht öffentlich gemacht.
In ihrer Beratungsarbeit trifft Anja Hauser auf Menschen, die entweder das Glück hatten, als ehemalige Ortskräfte nach Deutschland ausreisen zu können oder die auf dem Landweg aus Afghanistan geflohen sind. Sie verschafft ihnen den Zugang, über das BAP Afghanistan die in Afghanistan verbliebenen Familienangehörigen sicher nach Deutschland zu holen. Eigentlich bekommen die Personen, die einen Antrag auf Aufnahme stellen können, von der meldeberechtigten Stelle einen Link zu einem Online-Formular. Doch den Antrag selbst zu bearbeiten ist nur möglich, wenn Menschen sich gut mit dem Verfahren auskennen, sagt Anja Hauser.
Sie unterstützt ihre Klient*innen dabei, die Fragen zur Gefährdungssituation ausführlich zu beantworten und fragt auch nach Details. „Ich sage den Leuten immer, dass ich nicht so viel nachfrage, weil ich ihnen nicht glaube, sondern weil es möglichst viele Informationen und auch Beweise braucht.“ Beweise, das sind beispielsweise Fotos von Drohbriefen, die die Angehörigen erhalten haben. „Manche haben mir Fotos geschickt von sich und ihren Angehörigen, nachdem sie von den Taliban zusammengeschlagen wurden.“ Gibt es keine Fotos und Videoaufnahmen, fragt Anja Hauser nach Zeugenaussagen, zum Beispiel von Nachbar*innen.
„Insbesondere am Anfang des Programms hatte ich sehr damit zu kämpfen zu wissen, dass die betroffenen Personen jetzt gerade akut in Lebensgefahr sind und je nachdem wie schnell und gründlich ich arbeite, die Gefahr beseitigt werden kann oder eben nicht“, erzählt Anja Hauser.
Dann geht es an die Zusammenstellung der benötigten Unterlagen. Auch hier unterstützt Anja Hauser mit Wissen und Erfahrung, doch die Dokumente müssen die in Afghanistan verbliebenen Angehörigen selbst organisieren. Leben die Familien im Versteck aus Angst vor den Taliban, müssen sie oft eine dritte Person beauftragen. „Leider ist auch hier klar im Vorteil, wer Geld hat“, bedauert Anja Hauser. Nicht nur die vielen Dokumente müssen bezahlt werden, auch das später zur Ausreise nach Pakistan notwendige Visum kann die Angehörigen 1500 US-Dollar pro Person kosten. Erst wenn die Betroffenen Afghanistan verlassen haben, unterstützt die Bundesregierung die Personen finanziell.
Eine große Lücke sieht Anja Hauser darin, dass das Programm die Gefahrenlage für Familienangehörige bereits ausgereister Ortskräfte nicht berücksichtigt. „Wenn hier eine Ortskraft sitzt, die mir erzählt, dass die Familie in Gefahr ist, weil sie ausgereist ist, dass die Taliban regelmäßig vor der Tür stehen, dann ist dieser Fall nicht für das Programm geeignet.“ Die Angehörigen dieser Menschen müssten eigene Gründe nachweisen, um für das Aufnahmeprogramm in Frage zu kommen.
„Am Anfang habe ich mir gesagt, wenn nur eine Person durch meine Arbeit nach Deutschland kommen kann, hat es sich schon gelohnt.“ Nach vielen Monaten Arbeit und Kontakt mit den Familienmitgliedern kam es endlich zu der ersten Ausreise einer ihrer Klientinnen.
*Name von der Redaktion geändert.