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„Es geht ums Empowern.“ Gruppenangebote in der Beratungsarbeit

Neben der Einzelberatung und der Netzwerkarbeit vor Ort gehören auch Workshops für Ratsuchende zur Arbeit der MBE-Beratungsstellen. Die MBE-Beratungsstellen von miteinanderleben e.V. aus Pforzheim und BOX66 in Berlin geben Einblicke in diesen Aufgabenbereich.

Sozialpädagogische Gruppenangebote sind ein bewährtes Instrument der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE). So nennt auch die aktuelle, vom Bundesinnenministerium erlassene Förderrichtlinie neben der Erst- und Einzelfallberatung die „soziale Gruppenarbeit“ als einen der Tätigkeitsschwerpunkte der MBE. Diese Angebote sollen „zur zielgruppenspezifischen Weitergabe von Informationen und zur Unterstützung bei der sprachlichen und gesellschaftlichen Teilhabe sowie der Orientierung im Alltag“ beitragen.[1]

„Angefangen haben wir ganz klassisch mit einem Workshop zum Bürgergeld“, berichtet Beraterin Sandra Aleksi. Nachdem sie im Herbst 2021 in der MBE von miteinanderleben e.V. begonnen hatte, sei einer der Aufträge an sie gewesen, als ergänzendes Angebot neben der Beratung auch die Gruppenangebote zu stärken und ein Workshop-Programm für Ratsuchende aufzubauen. Der Verein, der auch in den Bereichen Jugendsozialarbeit und Inklusion aktiv ist und dem Paritätischen Gesamtverband angehört, berät Ratsuchende im Rahmen der MBE bereits seit dem Start des Programms im Jahr 2005. Zuständig ist der Verein, bei dem mehrere Beratende an zwei Standorten tätig sind, dabei für den baden-württembergischen Enzkreis. Seit die MBE von miteinanderleben ihre Gruppenangebot für Ratsuchende 2023 gestartet hat, bietet sie jedes Jahr etwa 9 bis 10 Workshops an, die immer an einem Freitagnachmittag in der Beratungsstelle in Mühlacker durchgeführt werden.

Vielfältige sozialpädagogische Gruppenangebote für Ratsuchende gibt es seit mehreren Jahren auch bei BOX66, einem Interkulturellen Beratungs- und Begegnungszentrum für Frauen und ihre Familien in Berlin-Friedrichshain, das der Verband für Interkulturelle Arbeit (VIA e.V.), Regionalverband Berlin/Brandenburg, eingerichtet hat. Wie miteinanderleben ist auch VIA e.V. Mitglied im Paritätischen Gesamtverband. Die MBE-Beratung wurde bei BOX66 vor über zehn Jahren etabliert. Der Beratungsschwerpunkt liegt dabei auf Frauen insbesondere aus den portugiesisch- und spanischsprachigen Ländern – neben Spanien, Portugal, den Ländern Lateinamerikas unter anderem Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Äquatorialguinea und Osttimor –, die auch muttersprachlich beraten werden können.

Die Grundüberlegung der Workshops sei es, so Sandra Aleksi von miteinanderleben, in der Beratung häufig wiederkehrende Fragen in größerer Gruppe zu beantworten und so zugleich auch zu einer Vernetzung und Interaktion der Ratsuchenden beizutragen. An den Veranstaltungen nehmen jeweils zwischen 8 und 13 Ratsuchende teil. Das klinge erst mal nicht viel. „Aber zum einen ist der Platz bei uns in Mühlacker begrenzt. Und zum anderen gelingt in einer kleineren Gruppe der Austausch viel besser.“ Die allermeisten Teilnehmenden sind Ratsuchende der bundesgeförderten MBE. Die Workshops stehen grundsätzlich aber auch den Klientinnen und Klienten des Vereins aus den Arbeitsbereichen Integrationsmanagement und Fachdienst Asyl offen, sofern sie zur Zielgruppe der MBE gehören. Auch bei BOX66 können neben den Ratsuchenden der MBE auch die Teilnehmerinnen anderer Angebote des Beratungs- und Begegnungszentrums die Gruppenangebote besuchen. BOX66 bietet die Workshops, an denen jeweils zwischen zehn und 40 Frauen teilnehmen, gleichermaßen in Präsenz wie digital an. „Weil wir viele Mütter mit kleinen Kindern in der Beratung haben, denen wir die Teilnahme erleichtern wollten, haben wir entschieden, die Workshops als Hybridveranstaltung anzubieten“, erklärt MBE-Beraterin Teresa Bueno. Das funktioniere dank der technischen Ausstattung auch sehr gut.

Gleichwohl sind nicht alle MBE-Stellen in der Lage, solche Gruppenangebote aufzubauen. „Viele Beratungsstellen berichten, dass die Organisation der Gruppenangebote meistens viele Ressourcen in Anspruch nehme“, erläutert Natalia Bugaj-Wolfram vom Paritätischen Gesamtverband. „Daher sehen sich viele Beratungsstellen dazu gezwungen, neben der täglichen Beratungsarbeit auf ein regelmäßiges Workshopangebot zu verzichten.“

Sprachcoaching Deutsch für den Arbeitsmarkt bei BOX66, © BOX66

Themen

Themen der Gruppenangebote bei miteinanderleben sind unter anderem Familienleistungen, Aufenthaltstitel oder das Gesundheitssystem. Ein weiterer Workshop widmet sich dem Thema „Briefe & Mails“, in dem Ratsuchende Hinweise erhalten, was sie bei Schriftwechseln mit Behörden beachten müssten. Bei Bedarf werden bei den Workshops auch externe Fachleute hinzugezogen. So wurde bereits eine Veranstaltung mit pro familia organisiert. Bei einem Workshop zum Thema „Gesunde Ernährung“, der laut Sandra Aleksi sehr viel Zuspruch gefunden habe, wirkte eine Expertin vom Landwirtschaftsamt mit. Das Team von BOX66 in Berlin organisiert die Gruppenangebote in mehreren Sprachen insbesondere im Bereich der Arbeitsmarktintegration und der Verbesserung der beruflichen Kompetenzen von zugewanderten Frauen, beispielsweise ein Sprachcoaching „Deutsch für den Arbeitsmarkt“ und ein Informationsangebot zur Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Die gut besuchten Veranstaltungen erfolgen in Kooperation mit Jobcoaches, Mitarbeitenden aus den Anerkennungsberatungsstellen, dem Jobcenter und der Bundesagentur für Arbeit. Externe Fachexpertinnen unterstützen Migrantinnen zum Thema „Gesundheit von Frauen“. In diesem Jahr ist dank der Kooperation mit der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg eine neue Fortbildungsreihe „Finanzbildung für alle“ entstanden.

Bei miteinanderleben sind gerade die Formularworkshops – es gibt neben solchen zum Bürgergeld auch Workshops zum Thema Wohngeld – sehr gut angenommen worden und sollen jedes Jahr angeboten werden. Das Ziel sei, so Sandra Aleksi, Ratsuchende zu befähigen, die oft komplexen Anträge selbst ausfüllen zu können. Dafür würden die Formulare in den Workshops gemeinsam am Beispiel einer Musterfamilie durchgesprochen. „Es geht ums Empowern“, bekräftigt Sandra Aleksi. „Wir versuchen, die Ratsuchenden zu ermutigen, es selbst zu versuchen. Sie sollen ihre Anträge zu Hause ausfüllen. Dann kann man beim nächsten Beratungstermin nochmal gemeinsam drüber schauen.“ Bei etwaigen weiteren Bedarfen würden Ratsuchende von der MBE-Beratung auch an die „BeLos“ verwiesen, die ehrenamtlichen Behördenlotsinnen und -lotsen, die miteinanderleben in einem landesgeförderten Projekt schult, um Zugewanderte im Enzkreis bei Anträgen und Behördengängen zu unterstützen.

„Die Workshops sind immer auch eine Möglichkeit für Menschen aus den Communities, selbst zu Wort zu kommen und selbst über ihre Kenntnisse zu sprechen“, erläutert Teresa Bueno von BOX66. In ihrer Beratung seien zum Beispiel Frauen, die in ihren Herkunftsländern als Ärztinnen, Beraterinnen oder IT-Expertinnen gearbeitet hätten. Weil der Rahmen ein anderer sei als in einer Beratungssituation, „stärken die Workshops auch die Verbindung zwischen Ratsuchenden und Beraterinnen.“ Das sei auch genau deshalb wichtig, weil BOX66 neben einer Beratungseinrichtung auch ein Begegnungszentrum sei. Hier würden sich nicht nur Communities aus portugiesisch- und spanischsprachigen Ländern treffen, hier bestehe zugleich eine Plattform für interessierte Frauen aus aller Welt, die Deutsch lernen beziehungsweise ihr Deutsch verbessern möchten und sich vernetzen wollen.

Sprachcafé bei miteinanderleben, © miteinanderleben e.V.

Wirkung der Gruppenangebote

Nach Einschätzung der MBE-Stellen haben die Gruppenangebote auch einen erkennbaren Multiplikatoreneffekt. „Man sieht schon während den Workshops, dass sich die Teilnehmenden untereinander helfen, gerade wenn eine Sprachbarriere vorliegt,“ sagt Sandra Aleksi. „Einige ehemalige Klientinnen und Klienten helfen ehrenamtlich in den Gemeinden, um neuen Zugewanderten den sprachlichen und vor allem organisatorischen Einstieg zu erleichtern.“ Auch die Beraterinnen bei BOX66 sehen, wie wirksam die angebotenen Gruppenangebote sind. Da in der Beratung zunehmend Gewalterfahrungen thematisiert wurden, wurde ein Workshop mit dem Titel „Raus aus der Opferrolle“ organisiert. Die Teilnehmerinnenzahl war aufgrund von Scham und Unsicherheit sehr gering. Doch danach war die Nachfrage enorm, weil betroffene Frauen durch die Workshop-Werbung erfuhren, dass BOX66 auch zu diesem Thema Unterstützung in ihrer Muttersprache anbietet.

Bei der Planung der Workshops ist den Mitarbeitenden der MBE von miteinanderleben und BOX66 die Einbeziehung der Ratsuchenden besonders wichtig. Die Beratenden fragen Ratsuchende, welche Themen sie sich für künftige Veranstaltungen wünschen würden. Teilnehmende der Workshops geben Anregungen und übermitteln – insbesondere bei den Workshops zu Anträgen und Behörden – im Vorfeld Fragen. Außerdem geben die MBE-Stellen am Ende der Veranstaltungen Feedback-Bögen aus, um die Wirkung der Workshops auswerten zu können. Teresa Bueno von BOX66 berichtet, bei den Workshops sei immer entscheidend, sich an den Bedarfen der Ratsuchenden zu orientieren. Die Werbung für die diversen Informations- und Bildungsangebote erfolge so, dass deren Freundinnen und Kolleginnen aufmerksam würden. „Es entsteht ein Synergieeffekt, der dazu führt, dass die Frauen gestärkt werden und ihre Expertise für weitere Workshops anbieten. Einige Teilnehmerinnen waren begeistert und machen ein Praktikum bei uns oder engagieren sich ehrenamtlich.“

Beraterin Sandra Aleksi von miteinanderleben ergänzt: „Unsere MBE-Klientinnen und -Klienten sollen ja einen Mehrwert durch die Workshops haben, deswegen sind uns auch ihre Wunschvorschläge wichtig und wir versuchen diese im kommenden Jahr umzusetzen. Einige boten auch schon an, selbst Workshops zu halten, zum Beispiel ein ehemaliger Arzt aus Afghanistan, der einen Workshop zum Thema ‚Stress und Resilienz‘ halten möchte. Wir versuchen das gerade umzusetzen. Es geht um Mitbestimmung, ernst genommen zu werden, eigene Expertise einzubringen, gesehen und gehört zu werden und vor allem wertgeschätzt zu werden.“

Die Beratungsstellen

BOX66. Interkulturelles Beratungs- und Begegnungszentrum für Frauen und ihre Familien in Berlin-Friedrichshain

miteinanderleben e.V. (mit Standorten in Pforzheim und Mühlacker, zuständig für den Enzkreis)

Fußnote

[1] Bundesinnenministerium, Förderrichtlinie zur Durchführung einer Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE), 26. Mai 2023, in: GMBl 2023, S. 750-755, hier S. 751. Die Förderrichtlinie trat zum 1. Januar 2024 in Kraft.

Fotonachweis

Das Titelbild ist entstanden beim Gruppenangebot zur Aufenthaltsverfestigung bei miteinanderleben e.V. im Jahr 2025, © miteinanderleben e.V.

 



© Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte