Migrationsberatung für Frauen. Die MBE bei infrau e.V.
Eine wichtige Aufgabe der MBE ist die Beratung von Migrantinnen, die oft einer spezifischen Unterstützung bedürfen. Einen Einblick in diese Arbeit gibt Pantoula Vagelakou, Geschäftsführerin und MBE-Beraterin von infrau e.V. in Frankfurt am Main.

Ein Beitrag von Pantoula Vagelakou, infrau e.V.
Migration bringt für Frauen besondere Herausforderungen mit sich: Neben Sprachbarrieren, bürokratischen Hürden und sozialer Isolation stehen viele Migrantinnen vor der zusätzlichen Aufgabe, Familie und Integration zu vereinbaren. Diese Themen erschweren den Integrationsprozess. Gerade Mütter sind oft von fehlender Kinderbetreuung betroffen, was ihre beruflichen und sozialen Integrationsmöglichkeiten erheblich einschränkt.
Infrau e.V., das interkulturelle Beratungs- und Bildungszentrum für Frauen, Mädchen und Seniorinnen in Frankfurt, begleitet und unterstützt seit 1984 Frauen, Mädchen und ihre Familien mit Migrations- und Fluchterfahrungen aus dem Rhein-Main-Gebiet. Seit 40 Jahren begleiten wir Prozesse im Rahmen der Einwanderungspolitik mit und sind eine bekannte Ansprechpartnerin für migrations- und integrationsspezifische Fragen. infrau e.V. ist als konfessionell und politisch unabhängiger Verein organisiert.
Angebote für Migrantinnen
Infrau e.V. bietet ein breites Spektrum an Unterstützungsmaßnahmen, darunter:
- Erstberatung & Lotsensystem: Orientierungshilfe direkt nach der Ankunft inklusive Informationen zur Kinderbetreuung.
- Sprachförderung & Bildungsangebote: Integration durch Sprache und Weiterbildung.
- Psychosoziale Beratung: Unterstützung bei familiären und sozialen Herausforderungen.
- Rechts- und Sozialberatung: Aufklärung zu Aufenthaltsstatus, Arbeitsmarktintegration und sozialen Rechten.
- Empowerment-Projekte & Netzwerke: Stärkung der Frauen durch Austausch und Selbsthilfegruppen.
Frauen und Mädchen verschiedener Herkunft erreichen somit mehr Selbstsicherheit und Selbstständigkeit. Sie finden Anschluss und erfahren so gesellschaftliche Teilhabe. Dabei spielt die MBE in unserem Hause eine zentrale Rolle, indem sie Orientierung bietet und Brücken zwischen den Institutionen schlägt. Ein besonderer Fokus liegt auf der Schaffung und Vermittlung von Betreuungsangeboten, um Frauen frühzeitig gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Mutter-Kind-Treff bei infrau e.V. in Frankfurt am Main 2024, © infrau e.V.
Die Bedeutung der Migrationsberatung für Migrantinnen
Frauen mit Migrationshintergrund benötigen oft spezifische Unterstützung, da sie mehrfachen Belastungen ausgesetzt sind: Sie übernehmen häufig familiäre Verantwortung, haben eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und sind stärker von Diskriminierung betroffen. Die MBE bei infrau e.V. setzt hier an, indem sie:
- eine individuelle Bedarfsanalyse durchführt,
- über Rechte und Pflichten im neuen Lebensumfeld informiert,
- den Zugang zu Integrationskursen, Qualifizierungen und Sozialleistungen erleichtert,
- psychosoziale Unterstützung bietet,
- Frauen mit passenden Beratungs- und Unterstützungsangeboten vernetzt und
- Lösungen für Betreuungsengpässe vermittelt, um eine frühzeitige Integration zu ermöglichen.
Die MBE unterstützt gezielt Migrantinnen, um ihre Selbstständigkeit und gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Zu den Aufgaben der MBE-Beratung von infrau zählen:
- Frauen mit individuellen Integrationsplänen zu begleiten,
- Anlaufstellen für rechtliche, soziale und gesundheitliche Fragen zu vermitteln,
- berufliche Perspektiven durch Qualifizierungs- und Bildungsangebote zu schaffen und
- eine interkulturelle Sensibilisierung in Behörden und Institutionen zu fördern.
Entwicklung und Herausforderungen
Die Erstberatung für Migrantinnen hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Während anfangs vor allem die sprachliche und rechtliche Beratung im Fokus stand, geht es heute verstärkt um eine ganzheitliche Unterstützung, die auch psychosoziale und berufliche Aspekte berücksichtigt. Herausforderungen bestehen weiterhin in:
- der finanziellen Sicherstellung von Beratungsangeboten,
- der Zusammenarbeit zwischen Behörden, sozialen Einrichtungen und Migrantinnenorganisationen,
- der Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Integrationshemmnisse,
- der Erreichbarkeit besonders vulnerabler Gruppen, zum Beispiel geflüchteter Frauen mit traumatischen Erfahrungen und
- dem Mangel an flexiblen Kinderbetreuungsmöglichkeiten, insbesondere für Mütter in Sprachkursen oder Qualifizierungsmaßnahmen.
Besondere Herausforderungen für Mütter: Kinderbetreuung als Schlüssel zur Integration
Ein zentrales Problem für viele Migrantinnen ist die unzureichende Kinderbetreuung, die ihre Integration erheblich verzögert. Viele Frauen möchten Sprachkurse besuchen, eine Ausbildung machen oder arbeiten – doch ohne verlässliche Betreuung ist dies kaum möglich. Besonders betroffen sind:
- Frauen mit sehr kleinen Kindern, für die es nicht genügend Betreuungsplätze gibt,
- Mütter mit unklarer Aufenthaltsstatus, die oft keinen Anspruch auf reguläre Kinderbetreuung haben,
- Frauen mit geringen Sprachkenntnissen, die Schwierigkeiten haben, sich über Betreuungsmöglichkeiten zu informieren, und
- Mütter mit fehlendem sozialem Netzwerk, die keine Unterstützung durch Familie oder Bekannte haben.
Infrau e.V. setzt sich dafür ein, die Kinderbetreuung stärker in den Integrationsprozess einzubinden. Durch die Vermittlung von Betreuungsplätzen und die Kooperation mit Kindertagesstätten und Elterninitiativen soll Frauen frühzeitig der Zugang zu Bildung und Arbeit ermöglicht werden. Dadurch passiert Integration nicht nur individuell, sondern familiär und strukturell:
- Kinder lernen früh Deutsch und soziale Regeln im Kita-Alltag,
- Frauen erhalten zeitliche Freiräume für Sprachkurse, berufliche Qualifikation oder Jobs,
- der Kontakt zu anderen Eltern schafft neue soziale Netzwerke und
- die Familie wird so insgesamt schneller und nachhaltiger in das gesellschaftliche Leben eingebunden.
Somit versteht sich der Zugang zur Kinderbetreuung als Teil der Integrationsarbeit und stärkt nicht nur die Frauen, sondern die ganze Familie.
Fallbeispiel: Amina, 32 Jahre, aus Syrien
Ausgangssituation
Amina ist 32 Jahre alt, kommt aus Syrien und lebt seit zwei Jahren in Deutschland. Sie hat zwei kleine Kinder (2 und 5 Jahre alt) und ist alleinerziehend. Ihr Aufenthaltsstatus ist gesichert, aber sie spricht nur wenig Deutsch. Sie hat in Syrien als Friseurin gearbeitet, möchte sich weiterbilden und langfristig wieder berufstätig sein. Doch sie steht vor mehreren Herausforderungen:
- Sprachbarriere: Sie kann sich nur eingeschränkt verständigen.
- Fehlende Kinderbetreuung: Ihr jüngeres Kind hat keinen Kitaplatz, das ältere Kind geht in die Vorschule.
- Soziale Isolation: Sie kennt kaum Menschen außerhalb ihrer Familie.
- Unklarheit über Möglichkeiten: Sie weiß nicht, welche Schritte sie unternehmen kann, um wieder zu arbeiten.
Amina erfährt durch eine Bekannte von infrau e.V. und kommt zur MBE.
1. Erstberatung: Bedarfsanalyse & Orientierung
Die MBE-Beraterin bei infrau e.V. empfängt Amina und führt ein Erstgespräch mit Hilfe einer Dolmetscherin. Ziel des Gesprächs ist es, Aminas aktuelle Situation zu verstehen und erste Lösungsansätze zu finden.
Wichtige Themen der Erstberatung:
- Sprachkurs: Sie benötigt einen passenden Deutschkurs (A1/A2).
- Kinderbetreuung: Ihr 2-jähriges Kind braucht einen Kitaplatz, um eine Kursteilnahme zu ermöglichen.
- Berufliche Perspektiven: Möglichkeiten zur Anerkennung ihrer Qualifikationen oder Weiterbildung.
- Soziale Integration: Kontakt zu anderen Frauen, um Isolation zu verhindern.
Erstes Ergebnis:
- Die Beraterin hilft Amina, sich für einen Integrationskurs mit Kinderbetreuung anzumelden.
- Sie informiert über Kita-Anmeldungen und begleitet sie bei der Antragstellung.
- Amina wird zu einem Treffen einer Müttergruppe bei infrau eingeladen, um Kontakte zu knüpfen.
2. Vermittlung & Unterstützung in den ersten Monaten
In den folgenden Wochen bleibt die Beraterin in Kontakt mit Amina und unterstützt sie aktiv:
✔ Kitaplatz: Die Beraterin hilft ihr, sich bei verschiedenen Kitas auf Wartelisten setzen zu lassen. Sie wird auch über alternative Betreuungsmöglichkeiten (z. B. Tagesmütter) informiert.
✔ Sprachkurs: Sie beginnt einen Integrationskurs mit begleitender Kinderbetreuung.
✔ Soziale Kontakte: Durch die Müttergruppe lernt sie Frauen mit ähnlichen Erfahrungen kennen.
✔ Berufsorientierung: Die Beraterin recherchiert für sie Qualifizierungsmaßnahmen für Friseurinnen.
Amina fühlt sich nach wenigen Monaten sicherer in ihrer neuen Umgebung. Sie hat erste Freundschaften geschlossen, besucht regelmäßig ihren Sprachkurs und hat Aussicht auf einen Kitaplatz.
3. Langfristige Perspektive & nächste Schritte
Nach sechs Monaten kommt Amina zu einem weiteren Beratungsgespräch. Ihre Situation hat sich verbessert:
✔ Ihr Kind hat einen Kitaplatz erhalten.
✔ Sie hat den ersten Teil ihres Integrationskurses abgeschlossen.
✔ Sie fühlt sich sicherer im Alltag und nimmt selbstständiger Behördentermine wahr.
Nun geht es um ihre berufliche Zukunft:
✔ Die Beraterin klärt mit ihr, ob sie eine Anerkennung ihrer Qualifikation beantragen kann oder eine Weiterbildung nötig ist.
✔ Sie informiert Amina über ein lokales Förderprogramm für Frauen in handwerklichen Berufen.
✔ Sie hilft ihr, ein Praktikum in einem Friseursalon zu finden, um erste Arbeitserfahrungen in Deutschland zu sammeln.
Fazit
Durch die individuelle Beratung und Begleitung der MBE konnte Amina innerhalb eines Jahres:
✔ einen Sprachkurs absolvieren
✔ einen Kitaplatz für ihr Kind bekommen
✔ ein soziales Netzwerk aufbauen
✔ eine berufliche Perspektive entwickeln
Der Fall zeigt, wie wichtig ganzheitliche Beratung ist, die nicht nur sprachliche und berufliche, sondern auch soziale und familiäre Aspekte berücksichtigt. Besonders die Kinderbetreuung war ein entscheidender Faktor, um Aminas Integration zu ermöglichen. Dieses Beratungsbeispiel veranschaulicht, wie infrau e.V. Frauen mit Migrationshintergrund durch eine langfristige, individuelle Beratung unterstützt. Der Beratungsfall für die MBE ist mit dem heutigen Stand zunächst abgeschlossen.
Fazit und Ausblick
Die MBE ist essenziell für eine erfolgreiche Integration. Durch das Zusammenwirken der MBE bei infrau e.V. entsteht ein unterstützendes Netzwerk, das Frauen auf ihrem Weg begleitet und ihnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Dennoch gibt es weiterhin Handlungsbedarf, um strukturelle Hürden abzubauen und passgenaue Angebote weiterzuentwickeln.
Die Zukunft der Erstberatung liegt in einer noch stärkeren interdisziplinären Zusammenarbeit, digitalen Beratungsangeboten und einer verstärkten politischen Unterstützung, um Migrantinnen langfristig gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Um eine nachhaltige Integration zu gewährleisten, braucht es eine stärkere Verzahnung von Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Familienpolitik. Flexible und leicht zugängliche Kinderbetreuungsangebote müssen ein integraler Bestandteil von Integrationsmaßnahmen werden, um Frauen frühzeitig Perspektiven zu eröffnen. Nur wenn Mütter eine echte Chance auf Teilhabe haben, kann Integration langfristig gelingen.
Die Beratungsstelle
infrau e.V. in Frankfurt am Main
Fotonachweis
Die Verwendung der Fotos erfolgt mit freundlicher Genehmigung von infrau e.V. © infrau e.V.