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„Wir lassen die Menschen in den Kursen nicht allein.“ Migrationsberatung und Integrationskurse unter einem Dach

Wie arbeiten Träger, die sowohl eine Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte als auch Integrationskurse anbieten? Welche Vorteile hat es, wenn Beratung und Sprachkurse in einem Haus und mitunter sogar auf demselben Flur stattfinden? Drei Vereine aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein geben Einblicke in ihre Arbeit.

Seit ihrem Start in ihrer heutigen Form im Jahr 2005 sind die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE) und die von vielen Trägern angebotenen Integrationskurse hinsichtlich der Zielgruppen und der wechselseitigen Zusammenarbeit eng aneinander gekoppelt. So gehört es zu den wichtigsten Themen in der Beratungspraxis der MBE, Ratsuchende in die für sie passenden Sprach- und Integrationskurse zu vermitteln. MBE-Berater*innen besuchen darüber hinaus regelmäßig die Integrationskurse, stellen dort ihr Beratungsangebot vor und bieten, so etwa in Hannover, in den Räumlichkeiten der Sprachkursträger eine orientierende Erstberatung an. Daneben gibt es bundesweit zahlreiche Träger, die eine MBE-Beratung und Integrationskurse unter einem Dach anbieten. Hierzu gehören beispielsweise das BildungsForum Lernwelten in Bonn, dessen Trägerverein 1979 gegründet wurde, die 1985 entstandene Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrant*innen (ZBBS) in Kiel und das ebenfalls 1985 gegründete Multikulturelle Forum mit seinen verschiedenen Standorten in Nordrhein-Westfalen. Alle Vereine sind Mitglied im Paritätischen Gesamtverband.

Die Beratung zum passenden Kurs

Die ZBBS bietet seit dem Programmstart im Jahr 2005 Integrationskurse und eine Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte an. Das bedeutet aber keineswegs, dass die MBE Ratsuchende nur zu den Sprachkursangeboten im eigenen Haus beraten würde. Da die Räumlichkeiten des Vereins zentral in der Nähe des Kieler Hauptbahnhofs liegen, hat der Verein ohnehin mehr Nachfragen als Kursplätze. „Unsere eigenen Sprach- und Integrationskurse sind oft voll. Wir weisen daher Ratsuchende immer auf alle Kursangebote in Kiel hin,“ berichtet MBE-Beraterin Iroda Mukhammadieva. „In der Beratung geht es oft auch darum, den individuell passenden Kurs für die Menschen – zum Beispiel neben der Berufstätigkeit oder in Einklang mit der Kinderbetreuung – zu finden.“ Zumeist sei auch entscheidend, welcher Kurs als nächstes starte. Das gelte besonders für die länger andauernden Alphabetisierungskurse, die nicht häufig beginnen und nicht von vielen Trägern angeboten würden.

In Bonn hat das BildungsForum Lernwelten beziehungsweise sein Trägerverein bereits seit den 1980er Jahren Sprachkurse im Programm. Schon bei den Vorgängermodellen der heutigen Integrationskurse sei in den Förderprogrammen eine sozialpädagogische Begleitung vorgesehen gewesen, so MBE-Berater Edgar Köller, mit denen das BildungsForum umfassende Erfahrungen gesammelt habe. „Wir hatten als Träger also schon lange um die Kurse herum ein Beratungsangebot aufgebaut.“ Im Jahr 2011 sei der Trägerverein dann auch in die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte eingestiegen, um wieder ein solches Beratungsangebot als unmittelbare Ergänzung zu den Integrationskursen anbieten zu können. „Am Anfang stellte sich schon die Frage, ob es womöglich kollidiert, wenn wir zum Teil in Personalunion Integrationskurse und Beratung anbieten. Wir wollten natürlich nicht den Eindruck erwecken, dass wir Klient*innen bevorzugt in eigene Sprachkurse bringen würden.“

Edgar Köller betont, dass die MBE im BildungsForum Ratsuchenden bewusst offen zu allen Kursangeboten berate. Zur Zeit seien auch viele Menschen in der Beratung, deren Kursverläufe aufgrund einer Elternzeit oder einer Arbeitsaufnahme nicht kontinuierlich seien. In den Gesprächen gehe es dann darum, ganz unabhängig vom Anbieter den jeweils besten Kurs für die Ratsuchenden zu finden. Mit einem genauen Blick auf die bisherigen Kursverläufe könnte die MBE die Menschen sehr zielgerichtet unterstützen. „Bei verpflichteten Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist auch die Arbeitsverwaltung beteiligt, die auf einen schnellen Kursabschluss drängt. Auch das BAMF steuert selbst aktiv die Kundenströme in die Integrationskurse und zwischen den Kursen aller zugelassenen Kursträger.“ Hierbei unterstütze wiederum die Migrationsberatung.

Zusammenwirken von Integrationskurs und MBE-Beratung

„In den wenigsten Fällen kommen die Menschen in den Integrationskurs, erwerben ihr Zertifikat und gehen danach wieder,“ sagt Beraterin Ute Afane über die Arbeit der ZBBS. Migrationsberatung und Integrationskurse liegen hier schon räumlich nahe beieinander: Beide Angebote teilen sich denselben Flur. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Beraterinnen und den Lehrkräften ist eng. Zu Kursbeginn stellen die Beraterinnen Ute Afane und Iroda Mukhammadieva ihr Angebot vor. Und wenn Lehrkräfte im Kursverlauf merken, dass Teilnehmende den Kurs möglicherweise nicht schaffen oder Fehlzeiten haben, empfehlen sie diesen, einen Termin mit der MBE zu vereinbaren. Die Beraterinnen würden dann gemeinsam mit den Ratsuchenden die bestehenden Hürden besprechen.

Auch beim Multikulturellem Forum in Bergkamen (Kreis Unna) liegen die MBE-Beratungsstelle und die Räume der Integrationskurse auf demselben Flur. Berater Chenthooran Sivathasan erklärt, das Beratungsangebot der MBE werde in jedem Integrationskurs vorgestellt. Die MBE unterstütze die Kolleg*innen in den Kursen und tausche sich mit ihnen zu Themen wie der Anerkennung von Qualifikationen oder Arbeit und Ausbildung aus. Diese wiederum würden die Ratsuchenden bei entsprechendem Bedarf an die Migrationsberatung verweisen. „So sind wir miteinander vertraut und können vor Ort schnell und unkompliziert die Ratsuchenden unterstützen.“

Beim BildungsForum in Bonn ist es ähnlich. „Mit der MBE-Beratung übernehmen wir die Arbeit, die unsere Lehrkräfte in den Kursen nicht leisten können,“ sagt Edgar Köller. „Wir lassen die Menschen in den Kursen nicht allein,“ ergänzt Ute Afane von der ZBBS Kiel. „Wir holen sie da ab, wo sie stehen.“ In den Kursen der ZBBS reiche die Alterspanne von jungen Erwachsenen bis zu Menschen im Rentenalter. Entsprechend vielfältig seien die Themen jener Kursteilnehmenden, die zeitgleich von der MBE beraten würden.

Manchen Teilnehmende würden Traumatisierungen, gesundheitliche Probleme und Behandlungen mit vielen Terminen oder die familiäre Situation mit kleineren Kindern die tägliche Kursteilnahme erschweren. Hier gelte es Lösungen zu finden. „Wir versuchen, den Klient*innen mitzugeben, dass uns ihre Situation nicht egal ist,“ bekräftigt ihre Kollegin Iroda Mukhammadieva (ZBBS). Das Ziel der Beratung sei es einerseits, Abbrüche von Integrationskursen zu vermeiden und die Teilnehmenden dabei zu unterstützen, das Sprachniveau B1 zu erreichen, das auch für die rechtliche Sicherung des Aufenthalts wichtig sei. Andererseits gehe es um eine Unterstützung bei ihren übrigen Herausforderungen. Das gelte selbstverständlich auch bei jenen Ratsuchenden, die Integrationskurse bei anderen Trägern absolvieren würden.

In der Praxis erfolgt die MBE-Beratung häufig parallel zum Integrationskurs. „Wir finden gemeinsam mit unseren Klient*innen den roten Faden und sortieren, was wie erledigt werden kann,“ erzählt Ute Afane. Der ZBBS könne dabei sowohl an Beratungsstellen anderer Träger als auch an die weiteren Angebote im eigenen Haus weitervermitteln. So verfügt die ZBBS neben der Migrationsberatung auch über Projekte zur Arbeitsmarktintegration und im IQ-Netzwerk über eine Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung, die Ratsuchenden dabei hilft, dass ihre ausländischen Berufsabschlüsse und Universitätszeugnisse schneller in Deutschland anerkannt werden.

Für das Multikulturelle Forum verweist Chenthooran Sivathasan darauf, dass die Nähe von Integrationskursen und Migrationsberatung eine „positive Arbeitsatmosphäre“ schaffe. „Die Teilnehmenden der Sprachkurse beziehungsweise die Ratsuchenden bekommen ein gutes Gefühl für das gute interne Netzwerk, sodass sie weitere Kurse oder Beratungen aufsuchen.“

Nach Einschätzung der Kieler Beraterinnen sind MBE-Beratung und Integrationskurse für viele Menschen ein Türöffner in die Gesellschaft. Auch daher ergänzt die ZBBS Beratung und Sprachkurse um weitere niedrigschwellige interkulturelle Angebote. Mit dem Zentrum für Empowerment und interkulturelle Kreativität im stark migrantischen geprägten Kiel-Gaarden bietet die ZBBS vielfältige kulturelle und kreative Veranstaltungen sowie Sprachcafés für soziale Kontakte an, die Geflüchteten selbst verwalten und organisieren. „Denn Integration ist nicht nur der Sprachkurs. Zur Integration gehört auch das Ankommen,“ sagt Ute Afane.

Die Beratungsstellen

BildungsForum Lernwelten Bonn

Multikulturelles Forum mit MBE-Beratung an den Standorten Bergkamen, Düsseldorf und Lünen

Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrant*innen (ZBBS) Kiel

Suche nach Integrationskursen

Das BAMF bietet ein eigenes Portal zur Suche nach Anbietern von Integrationskursen:

BAMF, Integrationskurssuche

Fotonachweis

Die Verwendung des Fotos erfolgt mit freundlicher Genehmigung der ZBBS Kiel. © ZBBS Kiel



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