Neuregelungen nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Im Rahmen ihrer Beratung begleitet die MBE auch die Arbeitsmarktintegration von Ratsuchenden. So berät die MBE zugewanderte Menschen hinsichtlich ihrer beruflichen Integration, verweist sie an die entsprechenden Fachstellen und Behörden und unterstützt sie bei Fragen zu Qualifikationen und Aufenthaltsrecht. Seit Ende 2023 gab es in diesem Feld verschiedene gesetzliche Neuregelungen, die auch die MBE in ihrer Beratungsarbeit besonders beschäftigen.

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung wurde bereits im Sommer 2023 verabschiedet, seine Bestimmungen traten aber erst später und schrittweise in Kraft (zum 18. November 2023, zum 1. März 2024 und zum 1. Juni 2024). Im Gesetzgebungsverfahren wurden zudem einzelne Aspekte noch einmal korrigiert bzw. geändert. Mit den angepassten und erweiterten Regelungen soll die Zuwanderung zur Arbeitsaufnahme erleichtert. Dafür sollen verschiedene gesetzliche Hürden abgebaut bzw. abgesenkt werden. Dies gilt sowohl für Fachkräfte (mit Berufs- bzw. Hochschulabschluss) als auch für Menschen mit berufspraktischen Erfahrungen.
Der Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Neuregelungen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz.
Weniger Beschränkungen für Fachkräfte
Fachkräfte mit beruflicher oder akademischer Ausbildung (§ 18a und § 18b AufenthG) haben jetzt den Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn sie die übrigen Voraussetzungen für diesen Aufenthaltstitel erfüllen. Nach der alten Rechtslage konnten Behörden auch bei Vorliegen der Voraussetzungen die Erteilung des Titels nach ihrem Ermessen ablehnen. Fachkräfte müssen außerdem nicht zwangsläufig in dem Beruf arbeiten, für den sie ausgebildet sind, sondern haben Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis für jede qualifizierte Beschäftigung.
Erleichterungen bei der Blauen Karte EU
Änderungen gibt es auch bei der Blauen Karte EU für hochqualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten. So wurde etwa die Liste der besonders dringend gesuchten Berufe erweitert und IT-Spezialist*innen können einen fehlenden Hochschulabschluss mit Berufserfahrung ausgleichen. Die Gehaltsgrenzen der für die Erteilung notwendigen Mindestgehälter wurden gesenkt und weitere Änderungen sollen die Mobilität der Blaue Karte-Inhaber*innen sowie den Familiennachzug zu ihnen erleichtern. Personen, die internationalen Schutz erhalten haben, sind seit November 2023 nicht mehr von der Erteilung der Blauen Karte EU ausgeschlossen.
Detaillierte Informationen über diese und alle weiteren Änderungen, die die Blaue Karte EU betreffen, bietet das Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland.
Entfristung der Westbalkanregelung
Die sogenannte Westbalkanregelung erleichtert Arbeitnehmer*innen ohne anerkannte Qualifikationen den Zugang zum Arbeitsmarkt. Voraussetzung ist jedoch ein verbindliches Jobangebot. Die Regelung wurde zum 18. November 2023 entfristet und gilt für Bürger*innen der Staaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien. Eine Übersicht über die Voraussetzungen bietet die Bundesagentur für Arbeit. Die Aufenthaltserlaubnis wird nach § 19c Absatz 1 AufenthG in Verbindung mit § 26 Absatz 2 BeschV erteilt. Die Anzahl der jährlich zu erteilenden Visa nach dieser Regelung ist auf 50.000 beschränkt.
Beschränkter Spurwechsel für Menschen im laufenden Asylverfahren
Durch das Gesetz wurde eine – allerdings stark eingeschränkte – Möglichkeit geschaffen, aus dem noch laufenden Asylverfahren in eine Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit zu wechseln. Infrage kommt nun zwar ein Wechsel in die Aufenthaltserlaubnis nach § 18a, § 18b und § 19c Absatz 2 AufenthG. Allerdings gilt dies nur für Personen, die vor dem 29. März 2023 in die Bundesrepublik eingereist sind und die ihren Asylantrag zurücknehmen (bevor dieser abgelehnt wurde).
Ausführliche Übersichten über die aktuelle Rechtslage hinsichtlich des Wechsels von einer Aufenthaltserlaubnis bzw. einem Aufenthaltstitel in eine andere Aufenthaltserlaubnis bzw. in einen anderen Aufenthaltstitel bietet die GGUA Flüchtlingshilfe:
Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung
Für Asylsuchende sowie für Menschen mit einer Duldung (nach § 60a AufenthG) wurde mit dem neuen § 16g AufenthG die Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung eingeführt. Zu den Voraussetzungen gehören unter anderem die sogenannte „Identitätsklärung“, in der Regel also der vorliegende Reisepass, und der Nachweis der Lebensunterhaltssicherung. Für Menschen, bei denen die Erteilung an der notwendigen Lebensunterhaltssicherung scheitert, bleibt die Ausbildungsduldung bestehen.
In der Beratung kann es Fallkonstellationen geben, bei denen es sinnvoller sein kann, „nur“ eine Ausbildungsduldung zu beantragen bzw. in dieser zu bleiben, zum Beispiel wenn das Ausbildungsziel gefährdet oder eine spätere Weiterbeschäftigung im Ausbildungsberuf unwahrscheinlich ist (ggf. auch aus gesundheitlichen Gründen), dafür aber die Erteilungsmöglichkeit eines Bleiberechts nach den §§ 25b oder 25a AufenthG absehbar ist. In diesen Fällen ist man dann nicht auf die spätere Beschäftigung als Fachkraft angewiesen.
Gelockerte Visumsvoraussetzungen für Suche nach Studien- oder Ausbildungsplatz
Die Voraussetzungen für ein Visum, um in Deutschland einen Studien- oder Ausbildungsplatz zu suchen, wurden erleichtert. Weitere Informationen zum Studium in Deutschland finden sich beim DAAD, Informationen zur Berufsausbildung bietet diese Seite der Bundesregierung.
Erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Berufserfahrungen
Menschen, die im Ausland eine mindestens zweijährige staatlich anerkannte Berufs- oder Hochschulausbildung abgeschlossen und über mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in dem angestrebten Beruf verfügen, haben (nach § 19 Absatz 2 AufenthG in Verbindung mit § 6 BeschV) die Möglichkeit, in Deutschland eine qualifizierte Beschäftigung anzunehmen. Diese Regelung galt bislang nur für IT-Fachkräfte. Weitere Voraussetzungen sind ein Arbeitsplatz oder eine Arbeitsplatzzusage sowie in der Regel eine Mindesthöhe bei Lohn bzw. Gehalt.
Einführung einer Aufenthaltserlaubnis für Pflegeassistenzkräfte
Neu eingeführt wurde die Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Hilfskräfte im Pflegebereich (nach § 19c Absatz 1 AufenthG in Verbindung mit § 22a BeschV). Sie müssen entweder in Deutschland eine anerkannte Ausbildung zur Pflegehilfskraft absolviert haben oder ihre ausländische Pflegeausbildung muss als gleichwertig anerkannt sein.
Wegfall von Beschränkungen für Zweckwechsel
Die meisten Beschränkungen, die bisher einen Wechsel von einer Aufenthaltserlaubnis zu Ausbildungszwecken (nach §§ 16 a, b, c, d, f AufenthG) in eine andere Aufenthaltserlaubnis erschwert haben, etwa weil das Visumverfahren außerhalb Deutschlands nachgeholt werden musste, entfallen. Siehe auch hier die Tabelle der GGUA.
Erweiterte Nebentätigkeiten bei den Ausbildungsaufenthalten
Die Möglichkeiten, während eines Aufenthalts zu Ausbildungszwecken (Ausbildung, Studium, Sprachkurse) eine Nebentätigkeit aufzunehmen, wurden erweitert. Nunmehr darf der Umfang 20 Arbeitsstunden pro Woche betragen (bislang 10 Stunden).
Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen
Mit der sogenannten Anerkennungspartnerschaft wurden die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zur Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen und die Verfahren zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen erleichtert. Die Anerkennungsverfahren können nunmehr – bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen – vollständig in Deutschland durchgeführt werden. Für die Anerkennungsverfahren legt die Beschäftigungsverordnung verschiedene Voraussetzungen fest, unter anderem das Vorliegen eines Hochschulabschlusses oder einer mindestens zweijährigen Ausbildung im Ausland. Nähere Informationen zum Visum zur Anerkennungspartnerschaft hat die Bundesregierung hier zusammengestellt.
Darüber hinaus sind bisherige Einschränkungen beim Wechsel aus einer Aufenthaltserlaubnis für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen (§ 16d AufenthG) in eine andere Aufenthaltserlaubnis entfallen.
Chancenkarte für Fachkräfte
Zum 1. Juni 2024 wurde die sogenannte Chancenkarte eingeführt, mit der Fachkräfte aus Drittstaaten eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erhalten können, um sich in Deutschland einen Arbeitsplatz zu suchen. Ein Arbeitsvertrag muss zum Zeitpunkt der Erteilung noch nicht vorliegen. Es ist unter bestimmten Bedingungen nun auch nicht länger erforderlich, bereits aus dem Ausland den eigenen Abschluss von deutschen Stellen (als gleichwertig) anerkennen zu lassen.
Um für die Chancenkarte infrage zu kommen, müssen Antragsteller*innen in einem neu eingeführten Punktesystem eine ausreichende Punktzahl erhalten und weitere Voraussetzungen, unter anderem die eigenständige Lebensunterhaltssicherung, erfüllen. Nähere Informationen hat die Bundesregierung in ihrem Portal der für Fachkräfte aus dem Ausland aufbereitet.
Weiterführende und vertiefende Informationen
Asylmagazin 3/2024, Themenschwerpunkt: Neuerungen beim Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung
BAMF, Information – Integration – Innovation, Flyer vom Juni 2024